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Philosophin des Monats Mai Luce Irigaray Philosophie und Psychoanalyse, das
sind die wichtigsten Themen
der belgischen Philosophin, Linguistin Luce Irirgaray. In ihrer
Forschung
konzentriert sie sich auf die Beziehung zwischen Sprache, Geschlecht
und
Identität – mit besonderem Fokus auf die weibliche
Subjektivität.
Mit ihrem Hauptwerk Speculum. Spiegel des anderen Geschlechts (1974)
hat sie die europäische Geistesgeschichte nachhaltig geprägt.
Sie kritisiert
darin nicht nur die männlich dominierte Sprache, sondern die
gesamte
symbolische Ordnung, die den patriarchalen Strukturen zugrunde liegt.
Im Gegenzug
fordert sie eigene symbolische Ordnung
des Weiblichen, die sich nicht nur in einer weiblich-mütterlichen
Sprache,
sondern in einer neuen Ethik der Differenz niederschlagen soll, in der
Frauen
als eigenständig handelnde Subjekte anerkannt werden.
Luce Irigaray ruft zu einem respektvollen Dialog der Unterschiede auf – ein Anliegen, das heute aktueller denn je erscheint.
Auszug aus: Ursula I. Meyer: Einführung in die feministische Philosophie, Aachen 2004 Luce Irigaray ist eine der wichtigsten
Vertreterinnen der
Theorie der Geschlechterdifferenz. Die Philosophin kommt aus der
psychoanalytischen Richtung und ist dabei vor allem von Jacques
Lacan
beeinflusst, dessen Kurse an der Ecole Normale Superieure sie auch
besucht hat.
Philosophischer Hintergrund ist der französische
Poststrukturalismus. In ihren frühen Veröffentlichungen
befasst Irigaray sich in
erster Linie mit der Verbindung von Psychoanalyse und Sprache; im
Mittelpunkt
steht dabei das normale Sprechen von Frau und Mann. Ansatzpunkt ist
neben der
Philosophie vor allem das Sprechverhalten in der psychoanalytischen
Situation.
Diese Diskursform gilt ihr als exemplarisch für die männliche
Orientierung
unserer Sprache. Irigaray stellt fest, dass eine allgemein anerkannte
Alternative zum männlich-wissenschaftlichen Diskurs fehlt. Den
Frauen stehe
keine ihrem Geschlecht entsprechende Ausdrucksform zur Verfügung.
Passen sich
Frauen nicht den Regeln der Männersprache an, haben sie keinen Ort
innerhalb
des Diskurssystems. In ihrer Dissertation, Speculum. Spiegel des
anderen
Geschlechts, die Irigaray 1974 veröffentlichte, untersucht
sie Psychoanalyse
und Philosophie hinsichtlich des geschlechtlichen Diskurses. Das
Ergebnis sind
sehr detaillierte und kritische Auseinandersetzungen mit den Theorien
Freuds
und Jacques Lacans, sowie Platons, Descartes und Hegels (Eine
Reaktion auf das
Erscheinen des Buches war Irigarays Ausschluss aus Lacans Ecole
Freudienne).
Sie alle weisen den Frauen eine untergeordnete Rolle zu. Dabei
wäre es doch die
Aufgabe der Wissenschaften diese zu thematisieren und aufzulösen
und nicht sie
zu forcieren und zu unterstützen. Als Weiterentwicklung ihres kritischen
Ansatzes aus Speculum
formuliert Irigaray in ihrer 1977 erschienenen Arbeit, Das Geschlecht,
das
nicht eins ist, die These, dass es ein anderes, nicht-männliches
Sprechen geben
müsse. Wollen die Frauen ihre Identität im männlichen
Diskurs nicht völlig
aufgeben, müssen sie zu einem weiblichen Sprechen finden. Ein
weibliches
Sprechen würde nicht den Regeln männlich-wissenschaftlicher
Darstellung und
Argumentation unterliegen. Und diese neue Sprechweise soll auf dem
Hintergrund
des patriarchalen Diskurses sichtbar werden. Dabei geht es nicht um
eine völlig
neue Sprache, sondern um eine Aufhebung der allgemein üblichen
geschlechtlich-determinierten Sprachpraxis. Irigaray geht davon aus,
dass
hinter dem patriarchalen Denken und dessen symbolischer Ordnung eine
tiefere
weibliche Gefühlswelt liegen muss, die bisher überdeckt wird.
Dadurch befinden
sich Frauen und Männer eigentlich gar nicht auf der gleichen
gesellschaftlichen
und sprachlichen Ebene. Vielmehr ist das Sein der Frauen von der
Männerwelt
überlagert worden. Und das führe zu den bekannten
geschlechtsspezifischen
Rollenklischees. Das Ziel ihrer Analyse ist es, zu dieser tiefer
liegenden
Gefühlswelt vorzudringen. Denn Irigarays Forderung nach einer
weiblichen
Sprache ist nur ein Schritt zu ihrem Gesamtsystem der
Geschlechterdifferenz. Irigaray stellt fest, dass unser
Gesellschaftssystem nicht,
wie allgemein angenommen, auf der Grundlage der Heterosexualität
funktioniert;
seine Basis ist die Homosexualität der Männer. Zwar werde
diese nicht
öffentlich praktiziert, finde aber trotzdem im Hintergrund statt,
z.B. durch
Frauentausch und durch Vermittlung des weiblichen Körpers.
Unterstützt werde
diese monosexuelle männliche Gesellschaft durch die modernen
Technologien. Sie
tragen dazu bei, die weiblichen Belange zu negieren, da sich alles
einem
männerdominierten Technik- und Fortschrittsglauben unterordnen
muss.
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